Kreuzberger Nächte

Der Blaue Montag startet viel versprechend in seine zweite Saison

Josef Hader, Martin Buchholz, Heinrich Pachl, Erwin Pelzig, Georg Schramm… Die Liste der bösen Zungen, die bei den bisherigen Ausgaben des feinen Kleinkunstprogramms "Der blaue Montag" bereits ihre Visitenkarte abgegeben haben, ließe sich ähnlich illuster weiterführen. Natürlich müssten dann auch rein der Vollständigkeit halber lokale Szenegrößen wie "Russendisko"-Erfinder Wladimir Kaminer und vor allem auch die internationalen Varietestars, Zauberer und Wortakrobaten erwähnt werden. Aber der einzelne Künstler steht montags abends in der kleinen Arena des Tempodroms am Anhalter Bahnhof ja gar nicht so sehr im Vordergrund. Vielleicht genau deshalb, hat sich der fröhliche Laune zaubernde Wundertütentermin noch kaum in der Hauptstadt herumgesprochen.

Vergangenen Montag konnten die legendären Maulhelden-Veranstalter rund um Conferencier Arnulf Rating (seines Zeichens Deutscher Kleinkunst-Preisträger 2003 und Mitbegründer der "Drei Tornados") endlich wieder "volles Haus" vermelden, ohne dass der Saal zu großen Teilen mit Freikarten-Gewinnern gefüllt war. Aber da stand ja auch mit der 25. Show und dem Start in die zweite schräge Saison ein kleines Jubiläum an. Mit dabei, unter anderem Ulrich Michael Heissig in seiner Paraderolle als fiktive Schwester von Hildegard Knef. Und der mittlerweile zum taz-Kolumnisten abgestiegene Wiglaf Droste, der aber doch immer noch mit sarkastischen Bemerkungen, etwa über Günter Grass' angeblich erotische Gedichte unterhalten und sogar kurzweilig zum Nachdenken anregen kann. Peinlich nur, dass er es nicht für nötig hielt, beim Finale noch mal auf die Bühne zu kommen.

Die größte Überraschung des Abends war der groteske, schwedische Extremzauberer Carl-Einar Häckner. Hierzulande weitestgehend unbekannt, in seiner Heimat seit Jahren ein Star. Wie schon vor der Sommerpause, als "Strahlemann und Söhne" mit dem komplette Tausch ihrer Garderobe während einer Partnerjonglage für großes Staunen und beherzte Lacher sorgten, einmal mehr der Beweis, dass "der Blaue Montag" mit seiner abwechslungsreichen Nummernrevue-Mischung aus Artistik, Musik, Kabarett, Comedy, Lyrik und Prosa ein wahrer Treffpunkt für Entdecker sein kann.

In jedem Fall ist es immer ein netter Vorgeschmack auf das, was in der laufenden Woche in Berlin geboten sein wird. Denn bei Ratings Montag ist es gute Tradition, Künstler einzuladen, die hier auf anderen Bühnen in Kürze ein Gastspiel geben respektive ein neues Programm ausprobieren. Ebenso wie die kabarettistische Rückschau auf all jene, die in der Vorwoche freiwillige oder unfreiwillige Berühmtheit erlangt haben.

Nie fehlen darf auch der "Bezirk des Monats", der sich sowohl in den Themen als auch in den auftretenden Künstlern widerspiegeln soll. Für September fiel die Wahl auf Kreuzberg. Bundesweit bekannt durch einen Gassenhauer der Gebrüder Blattschuss und den Krawallen am 1. Mai. Aber eben - auch das zeigt der blaue Montag, der mit diesem Konzept Ost- und Westberlinern gezielt Unbekanntes aus ihrer Stadt präsentiert - durchaus mehr gelobt für seine jungen Akrobaten, wie Frank Wolf, der mit einem BMX-Rad wahnwitzigste Tänze vollführt, sein müsste.

Oliver Renn

© Kulturküche, 03.09.2003